LJHA beschließt Einrichtung einer Jugendgruppe, die an Fortschreibung des Landesjugendförderplans mitwirkt

Die vierte Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses in der 7. Wahlperiode des Freistaates Thüringen fand am 07. Dezember 2020 zwischen 14 und 18.45 Uhr erstmals als Online-Konferenz statt. Als Jugend- und Jugendparlamentsvertreter*innen schalteten sich u.a. Michelle Karlen (Kinder- und Jugendausschuss Saalfeld) und Vincent Sipeer (Jugendrat Gera, Vorstandsmitglied des DKJG Thüringen) zu.  

Nach der Begrüßung der ca. 50 Teilnehmenden durch den Ausschussvorsitzenden und technischen sowie organisatorischen Hinweisen zum Ablauf der Sitzung informierte dieser darüber, dass die thematischen Schwerpunkte zurzeit vor allem bei der Fachkräfteentwicklung in ihren vielfältigen Herausforderungen, den Hilfen zur Erziehung, der Digitalisierung in der Jugendhilfe und der Novelle des Sozialgesetzbuchs VIII (inklusive Jugendhilfe) liegen.  

Es folgten die Kurzberichte aus der Gremienarbeit, wobei über die Stiftung HandinHand, eine privatrechtliche Stiftung, die drei Stiftungszwecke verfolgt: Hilfe für Schwangere, Hilfe für Familien und Förderung von Kinderwunschbehandlungen, und die Stiftung EJBW, Europäische Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar, ausgeführt wurde. Weiter ging es mit aktuellen Arbeitsständen aus Landesschulbeirat und Landesfamilienrat.  

Ein Schwerpunkt dieser letzten Sitzung im Jahr 2020 stellte das quasi grenzenlose Thema Digitalisierung in der Jugendhilfe dar. Dazu führt Herr Professor Doktor Jörg Fischer, der u.a.  Leiter des Instituts für kommunale Planung und Entwicklung (IKPE) und Leiter des Masterstudiengangs „Internationale Soziale Arbeit“ an der Fachhochschule Erfurt ist, aus. Sein Vortrag stand unter dem Titel „Ansätze für eine digitale Fortentwicklung der Kinder- und Jugendarbeit in Thüringen“. Den aktuellen Stand umriss er mit vier Thesen:

  1. „Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe ist nicht erst seit der Pandemie ein Thema und eine Herausforderung.
  2. Die Pandemie hat für die neue Kinder- und Jugendhilfe keine neuen digitalen Herausforderungen geschaffen, sondern bereits bestehende offengelegt und verschärft.
  3. Obwohl die Digitalisierung die Zielgruppe der Kinder- und Jugendhilfe bereits voll erfasst hat, hat sich die Kinder- und Jugendhilfe noch nicht darauf eingelassen und wird in dem Prozess auch nicht wahrgenommen.
  4. Für die Kinder- und Jugendhilfe bieten sich verschiedene Zugänge in der Digitalisierung an.“

Diese Thesen diskutierte der Professor indem er u.a. eine Studie der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) mit dem Titel „JIMplus 2020 Lernen und Freizeit in der Corona-Krise“ und die „Thüringer Strategie für eine Digitale Gesellschaft“ (2018) des Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft anführte. Zukunftsweisende Ideen bestünden in Strategieprozessen, sicheren Messengerdiensten, virtuellen Jugendzentren, gemeinsamen Clouds und Kommunikationsplattformen sowie Servicerobotik. Der Sozialwissenschaftler*innen rief dazu auf, das Thema Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe und Sozialarbeit selbstbewusst anzugehen, um die bestehenden Rückstände aufzuholen. Der Ausschuss einigte sich darauf, dass die Strategiegruppe bis Anfang 2021 das weitere Vorgehen beim Thema Digitalisierung in der Jugendhilfe gliedert und vorbereitet.

In einem weiteren längeren Vortrag führte eine Verwaltungsmitarbeiterin aus, was die Jugendhilfeträger zu folgenden Fragestellungen im Vorfeld der Sitzung einreichten:

  1. Was kann und was muss Jugendhilfe unter Aspekt Disgitalisierung leisten?
  2. Wie sehen die finanziellen Rahmenbedingungen aus?
  3. Wie kann die Unterstützung des Thüringen Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft (TMBWWDG) und der Digitalagentur aussehen?

Diesbezüglich wurde eine schiere Fülle an Bedarfen und Ideen sichtbar.

Nach einer gerade einmal zehnminütigen Pause um kurz nach 16 Uhr stellte sich Frau Dr. Julia Heesen in ihrer neuen Funktion als Landesbeauftragte für Kinderschutz und die Bekämpfung sexueller Gewalt an Kindern vor. Die Landesbeauftragte führte aus, dass sie drei Aufgaben sehe, um sexueller Gewalt wirksam zu bekämpfen:

  1. „Behüten: Kinder sollen keine sexuelle Gewalt erleben.
  2. Bemerken: Wo sexuelle Gewalt stattfindet, muss sie schnell bemerkt werden.
  3. Beenden: Staatliche Stellen müssen sexuelle Gewalt schnellstmöglich und wirksam beenden, damit das Leiden ein Ende nimmt.“ Sie möchte der Bekämpfung sexueller Gewalt an Kindern mehr politische Bedeutung verleihen, die Koordination von Einrichtungen und Netzwerken fördern und Kinderschutzkonzepte zur Vorbeugung und Verhinderung von Gewalt stärken. Es folgte der jährliche Bericht der Thüringer Kinder- und Jugendschutzdienste aus Sicht der Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Thüringen e. V., u.a. zum Kinderschutz unter Corona-Bedingungen.

Nachfolgend wurde auf Allgemeinverfügungen (AV) und Corona-Richtlinien hinweisen, die die Einrichtungen, Dienste und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe betreffen. Aktuell gilt der eingeschränkte Regelbetrieb mit erhöhtem Infektionsschutz (Stufe GELB). Die Staatssekretärin führte aus, dass Tests, Impfzentren und Schutzkleidung zur unmittelbaren Pandemiebekämpfung vorrangig seien, wenn es um die Verwendung des Sondervermögens geht. Für die Recherche aktueller Erkenntnisse für die Kinder- und Jugendhilfe wurde das „Forum Transfer: Innovative Kinder- und Jugendhilfe in Zeiten von Corona“ empfohlen.

Unter dem Tagesordnungspunkt „Aktuelle Informationen aus dem Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport“ wurde darüber informiert, dass die SGB VIII-Novelle noch im Dezember 2020 in das Bundeskabinett und im Januar 2021 in den Bundestag kommen soll ehe es in der ersten Jahreshälfte 2021 in Kraft treten könne.

Über das Konzept für einen Thüringer Jugendcheck wurden folgende Informationen zu Protokoll gegeben: „Das Konzept für einen Thüringer Jugendcheck wurde mit den Mitgliedern des LJHA am 19.10.2020 diskutiert. Danach fanden zwei Veranstaltungen am 14.11.2020 und am 21.11.2020 mit jungen Menschen statt. Es nahmen Vertreter und Vertreterinnen von den kulturellen Verbänden, den Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung, der Jugendgremien, der Jugendverbände und aus Einrichtungen der Jugendarbeit/ Jugendsozialarbeit, die über die Jugendämter gewonnen wurden, teil. Die Ergebnisse dieser Diskussionen fließen nunmehr in den Entwurf eines Konzeptes ein, dass dann für eine Kabinettsbefassung im nächsten Jahr genutzt wird.“ Mitglieder aus dem DKJG Thüringen arbeiten zahlreich und intensiv am Thema.

Zum Tagesordnungspunkt 12.5 mit dem Titel „Landesjugendförderplan – Fortschreibung für die Jahre 2023 bis 2027, Beschluss-Reg-Nr.: 40/20“ brachte Vincent Sipeer für den Dachverband der Kinder- und Jugendgremien Thüringen einen Änderungsantrag ein. Der Jugendvertreter sprach sich dafür aus, dass eine Jugendgruppe bestehend aus Vertreter*innen des Dachverbands der Kinder- und Jugend-gremien, dem Landesjugendring Thüringen e. V., der Landesschüler*innenvertretung Thüringen, der Landesvereinigung kulturelle Jugendbildung e. V. und den stationären Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung den gesamten Fortschreibungsprozess hinweg eigenständig arbeitet. Die Sitzungen der Jugendgruppe sollen entsprechend ihrer Bedarfe unter jugendgerechten Rahmenbedingungen stattfinden. Ihnen soll es möglich sein auch an den Sitzungen der mit Erwachsenen besetzten Kernarbeitsgruppe teilzunehmen. Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen. Das ist ein großer Erfolg für die Beteiligung junger Menschen auf Landesebene!

Wir blicken zurück auf ein jugendpolitisch aufregendes Jahr 2020 und freuen uns auf die neuen Chancen, die das Landtagswahljahr 2021 für uns bereithält. Auch daran lassen wir euch selbstverständlich wie gehabt in der gebotenen kurzen Ausführlichkeit teilhaben.

Beschäftigt euch ein Thema im Detail? Habt ihr Fragen zu unseren Haltungen hinsichtlich der genannten Angelegenheiten oder wollt ihr mehr über unsere beratende Rolle im Landesjugendhilfeausschuss erfahren? Schreibt uns!

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