Stellungnahme der Kinder-und Jugendgremien zum Fünften Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaates Thüringen (ThürVerf)

Hier: Anhörungsverfahren gemäß § 79 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags

Der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion (Drucksache 7/27) sieht zwar mit der Ergänzung der ThürVerf um Art. 16a eine begrüßenswerte Förderung und Wertschätzung des Ehrenamtes und mit Art. 16b ThürVerf eine aus Kinder-und Jugendperspektive lobenswerte Verpflichtung zu nachhaltigem Handeln aller staatlichen Ebenen unter expliziter Erwähnung künftiger Generationen vor, jedoch muss kritisch angemerkt werden, dass der Gesetzentwurf keinerlei Ansätze zur Verankerung der Kinderrechte in der ThürVerf vorsieht. Dabei ist glasklar, dass nur mit den Kinderrechtenin die ThürVerf, Staat und Gesamtgesellschaft im notwendigen Maße in die Pflicht genommen werden,Kinder und junge Menschen beigerichtlichen Entscheidungen, bei Gesetzgebungs-und Verwaltungsprozessen zu berücksichtigen, ihre Interessen umfassend zu wahren und wesentlich stärker als bislang zu beteiligen.

Der Gesetzentwurf der Fraktion der AfD (Drucksache 7/48) sieht durch die Ergänzung der ThürVerf um Art. 30a ThürVerf ebenfalls eine Regelung zur Förderung des Ehrenamtes vor. Allerdings fehlt hier ebenso eine Regelung zur Verankerung der Kinderrechte sowie die Verankerung der Nachhaltigkeit als Staatsziel in der ThürVerf, was durch den DKJG Thüringen entschieden kritisiert wird.

Der Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 7/897) hingegen regelt in Art. 19 ThürVerf die umfassende Verankerung der Kinderrechte in der ThürVerf. Der Gesetzentwurf greift jugend- und beteiligungspolitische Forderungen auf, die der DKJG Thüringen im Namen der Mitgliedsgremien und der jungen Menschen in Thüringen bereits seit seiner Gründung im Jahr 2018 erhob. Gleichzeitig appellieren wir an alle politischen Akteur*innen in Thüringen sowie die Thüringer Landesregierung, entschieden auf eine gleichartige Ergänzung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zu drängen.

Wir freuen uns über die lange geforderte Ergänzung von Art. 19 ThürVerf um den Schutz der Rechte von Kindern und Jugendlichen, insbesondere deren Mitspracherechte in eigenen Belangen und die wesentliche Berücksichtigung des Kindeswohls unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Übereinkommen über die Rechte des Kindes sowie die staatliche Verpflichtung auf die Schaffung von kinder-und jugendfreundlichen Lebens-und Entwicklungsbedingungen. Es ist unstrittig, dass die Wahrung der Kinderrechte und die Garantieder vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls gemäß Art. 19 Absatz 1 Satz 3 ThürVerf eine der verantwortungsvollsten gesamtgesellschaftlichen und staatlichen Aufgaben sind. Die vorgeschlagene Verankerung der Kinderrechte als Staatsziel ist nur konsequent und sollte den letzten Weckruf dafür darstellen, die notwendigen Maßnahmen in den Fokus staatlichen Handelns zu rücken, Kindeswohlgefährdungen jeder Art zu verhindern sowie wirksam zu unterbinden. Insbesondere die Mitsprache-und Beteiligungsrechtegemäß ThürVerf Artikel 19Absatz 1 Satz 5ThürVerfsind immanent, umbei allen Maßnahmen im Gesetzesanwendungsprozess durch Gerichte, Verwaltungen und der Gesetzgebung Kinder und junge Menschen anzuhören und dadurch ihrer Würde, ihren Interessen und ihren Anliegen zu entsprechen.

Mit Blick auf die Kinder-und Jugendbeteiligung betonen wir folgende Aspekte:

  • Der „Anspruch auf wirksame Beteiligung “ lässt sich nur durch umfassende Beteiligungsstrategien sowie -prozesse realisieren, auf die sich alle kommunalen Akteur*innen, Ämter und Bereiche verständigen. Wir plädieren dafür, alle politischen Institutionen zum Aufbau nach Altersgruppen differenzierter und wirksamer Beteiligungsstrukturenfür junge Menschen zu verpflichten. Das schließt ein, alle der ThürVerf untergeordneten Rechtsquellen, vor allem die ThürKO, entsprechend anzupassen.
  • Die Wirksamkeit der Kinder-und Jugendbeteiligung ist dann hoch, wenn junge Menschen auf Augenhöhe mitberaten können sowie möglichst weitreichende Gestaltungschancen und einen tatsächlichen Einfluss auf dieMaßnahmenumsetzung erhalten. Die altersgerechte Mitsprache und Beteiligung in kommunalen Beratungs-und Entscheidungsprozessen sollten möglichst niedrigschwellig, inklusiv und transparent sowie hinsichtlich der Resultate verbindlich und nachvollziehbar sein.

Die Schaffung von kinder-und jugendgerechten Bedingungen sowie die Unabhängigkeit vom Familienstand der Eltern gemäß Artikel 19 Absatz 2 ThürVerf wirkt der Tendenz entgegen, dass die Entwicklungs-und Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen in Thüringen noch immer stark von sozioökonomischen Faktoren wie der Erwerbssituation der Eltern abhängen. Diese Benachteiligung von Kindern und jungen Menschen ist nicht länger hinnehmbar. Wir sprechen uns in Ergänzung um Artikel 19 Absatz 2 ThürVerf weitergehend im Sinne der Attraktivität des Freistaates für junge Menschen und Familien für die in der Landesstrategie Mitbestimmung vorgeschlagene Ergänzung der ThürVerfum die ausdrückliche Benennung der staatlichen „Sorge für altersgerechte Lebensbedingungen“aus.

Es ist bezüglich den unter D gefassten Kosten zu betonen, dass die Mehrkosten der Planung und Durchführung von Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Kinderrechts-konvention rechtsstaatlich geboten und partizipatorisch überaus sinnvoll sind.

Der DKJG Thüringen unterstützt das Anliegen, die Ehrenamtsförderung als Staatsziel in Art 30 Absatz 3 ThürVerf festzuschreiben. Weiterhin sollte auch das „bürgerliche Engagement“ in den Schutz-und Förderauftrag aufgenommen werden. Im Zusammenspiel mit staatlichen und nicht-staatlichen Einrichtungen stellen Ehrenamt und Engagement gleichermaßenwichtige Säulendes gesellschaftlichen Zusammenhalts dar, weshalb sich das Land, die Landkreise, die Städte und Gemeinden daraufverpflichten sollten, für dessen wertschätzende und dauerhafte Förderungzu sorgen. Das gelingt unserer Auffassung nach nur mittels einer ganzheitlichen und festgeschriebenen Ehrenamts-und Engagementstrategie des Landes Thüringen.

Die erhofften Wirkungen der Staatszielbenennung in unserem Tätigkeitsfeld belaufen sich insbesondere auf die Erhöhung des Anreizes junger Menschen sich freiwillig und uneigennützig zu engagieren. Um die dafür nötigen Beteiligungsstrukturen aufzubauen bedarf es der adäquaten personellen Begleitung und finanziellen Unterstützung der Kinder-und Jugendbeteiligungsgremien.

Bekanntermaßen entsprechen die wichtigsten Probleme des Ehrenamts denen unserer Gesellschaft. Dazu gehören u.a. die demografische Entwicklung, die Urbanisierung, die Digitalisierung sowie Integrations-und Motivationsdefizite. Die Ehrenamtsförderung sollte daher noch stärker Projekte, Maßnahmen und Vorhaben zur Gewinnung von jungen Menschen für ein Ehrenamt, die Hilfen für Geflüchtete zur Ausübung eines Ehrenamtes, die Anerkennung und Würdigung aller Ehrenamtlicher, die Nutzung digitaler Medien sowie die Anschaffung geringwertiger Wirtschaftsgüter zur Ausübung eines Ehrenamtes in den Blick nehmen. Hierbei betrachten wir den Aufbau und den Ausbau von Ehrenamtszentralen als zielführend.

Weiterhin ist an diesem Gesetzentwurf zu loben, dass sich gemäß Artikel 32a ThürVerf das Prinzip der Nachhaltigkeit auf alle staatlichen und kommunalen Handlungsfelder erstrecken soll, indem es ausdrücklich als Staatsziel Verfassungsrang erhält. Darin sehen wir eine ausdrücklich kinder- und jugendfreundliche Verfassungsänderung.

Die Kinder- und Jugendgremien Thüringen begrüßenschließlich ebenfalls die von den Regierungsfraktionen vorgeschlagenen Änderungen bezüglich Artikel 1, einer verfassungsrechtlichen Vorsorge gegen nationalsozialistische Ideen, Organisationen und Programme, und Artikel 2 Abs. 4 ThürVerf, der Inklusion als Menschenrecht und Gesellschaftsmodell würdigt.

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